Linker Antisemitismus

Zusammenfassung

  • Linken Antisemitismus gibt es seit den Anfängen politisch linken Denkens und linker Ideologie.
  • Anders als im Rechtsextremismus war er allerdings nie integraler Bestandteil der linken Weltsicht. In der Geschichte der Linken erlebte er unterschiedliche Konjunkturen.
  • Linker Antisemitismus ist nicht rassistisch determiniert, er zeigt sich vielmehr als verschwörungsideologisch konnotierte, personifizierende Feindbildprojektion, zumeist kodiert in Form antisemitischer Stereotype oder als israelbezogener Antisemitismus.
  • Gerade diese Form des Judenhasses lässt sich heute in Teilen linker Subkulturen beobachten.

Antisemitismus in der Alten Linken

Antisemitismus[1] ist zunächst ein Ressentiment, das „Gerücht über die Juden“[2], vor allem aber ist es eine lange tradierte hassförmige Verschwörungsideologie, die man in sehr unterschiedlichen Ausformungen in allen sozialen Gruppen und im gesamten politischen Spektrum der Gegenwart beobachten kann. Zwar findet sie sich überwiegend im Rechtsextremismus, wo sie ein konstitutives Element darstellt. Aber auch im linken Denken hat Antisemitismus eine lange Wirkungsgeschichte. Es gibt ihn – wie den milieuinternen Kampf dagegen[3] – seit den Anfängen linken Denkens und linker Gesellschaftstheorie im frühen 19. Jahrhundert. Dabei erscheint es zunächst paradox, dass eine auf soziale und politische Gleichheit abzielende Gesellschaftsidee antisemitische Vorbehalte, meist in Form jahrhundertealter judenfeindlicher Stereotype, nicht überwinden konnte und Jüdinnen:Juden von einem progressiven emanzipatorischen Anspruch zumindest teil- und zeitweise ausgeschlossen wurden.

In der Geschichte der sozialistischen und der anarchistischen[4] Linken wurde immer wieder das seit dem Mittelalter durch Europa geisternde Stereotyp des gierigen Juden bedient, das an die Stelle des abstrakten Kapitals tritt. Der Begriff „Kapitalist“ wurde allzu oft mit „jüdisch“ gleichgesetzt. Beispielsweise in der Zeitschrift Die Verbrüderung, herausgegeben von der Allgemeinen Deutschen Arbeiterverbrüderung, konnte man 1848 lesen: „Die Juden […] haben sich verbunden, um die Welt zu kaufen […]. Sie wechseln gegen das Geld der ganzen Welt Aktien und Papiere ein, sie können verderben oder retten, sie sind mehr als Könige, sie sind die Götter der Welt.“[5] In der Neuen Rheinischen Zeitung, deren Redaktionsleiter Karl Marx war, schrieb man im selben Jahr von „Schacherjuden“ sowie einem „Komplott der Fürsten, Jesuiten und anderer Erdenscheusale“.[6] Insbesondere an Karl Marx‘ Frühschrift „Zur Judenfrage“ (1843) und mehr noch anhand der bis heute in der Forschung durchaus vorhandenen Uneinigkeit darüber, ob Marx sich durch diesen Text nun als Antisemit desavouiert hat oder nicht, lässt sich gut erkennen, in welch ambivalentem Verhältnis linkes Denken und klassischer Antijudaismus bzw. moderner Antisemitismus zueinander stehen. Marx´ These lautete, dass die „Judenfrage“ unmittelbar an die Existenz der kapitalistischen Gesellschaftsordnung gebunden ist, und deren Abschaffung folglich auch das Ende eines auf „Geld“ und „Schacher“ gegründeten Judentums bedeuten würde. Marx theoretische Verbindung von säkularem Judentum und Kapitalismuskritik blieb – bei allen folgenden Differenzierungen – für lange Zeit das zentrale Paradigma der marxistischen Beschäftigung mit Antisemitismus.

Anders als Marx argumentiert Bebel in seiner, auf dem Kölner SPD-Parteitag 1893 gehaltener Parteitagsrede „Antisemitismus und Sozialdemokratie“, wenn er sagt: „Der einseitige Kampf des Antisemitismus gegen das jüdische Ausbeuterthum muß nothwendig erfolglos sein, weil die Ausbeutung der Menschen durch den Menschen keine speziell jüdische, sondern eine der Bürgerlichen Gesellschaft eigenthümliche Erwerbsform ist, die mit dem Untergang der bürgerlichen Gesellschaft endigt.“[7] Bebels Text war der zentrale und viel zitierte Referenzpunkt der vielschichtigen sozialistische Auseinandersetzung mit Antisemitismus seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert und bis zum Ende der Weimarer Republik. Diese insbesondere „sozialdemokratische Antisemitismusabwehr“[8] wendete sich auch gegen antisemitische Entgleisungen im eigenen, wenngleich gespaltenen sozialistischen Lager. Aus der Führungsriege der KPD etwa war in Person Ruth Fischers, selbst Jüdin und dem linken KPD-Flügel angehörend, in einer 1923 gehaltenen Rede zu vernehmen: „Wer gegen das Judenkapital aufruft, […] ist schon Klassenkämpfer, auch wenn er es nicht weiß. […] Tretet die Judenkapitalisten nieder, hängt sie an die Laterne, zertrampelt sie.“[9] Antisemitische Sentenzen entdeckt man auch in der „Roten Fahne“, dem Zentralorgan der KPD, obwohl sie als antifaschistische Partei den Antisemitismus der Rechten anprangerte und sogar selbst als Agentin einer „jüdisch-bolschewistischen“ Verschwörung diffamiert wurde.[10]

Scheint die Hassideologie des Antisemitismus, jedenfalls dem eigenen linken emanzipatorischen Anspruch nach, also zunächst einer von allen Ressentiments befreiten linken Selbstwahrnehmung zu widersprechen, zeigt die Geschichte linken Denkens und linker Kritik, dass vermeintlich abstrakt-strukturelle Gesellschaftsdiagnosen der „Herrschaft des Kapitals“ partiell antisemitische Elemente aufweisen. Das betrifft insbesondere die Vorstellung einer herrschenden Kapitalistenklasse, die sich des bürgerlichen Staates mit Gewaltenteilung und Parlamentarismus als Medium und Feigenblatt ihrer Herrschaft bedient. Wird das gesamte staatliche Handeln derart als durch die Interessen des Kapitals bzw. Großkapitals bestimmt verstanden, werden beispielsweise Wirtschaftskrisen nicht als Ergebnis komplexer und kontingenter ökonomischer Prozesse interpretiert, sondern als Folge des steuernden Handelns von „Monopolkapitalisten“. Dieses regelrecht klassische linke Narrativ einer stark verkürzten Kapitalismuskritik offenbart eine verschwörungstheoretische Perspektive, die alles auf das intentionale Handeln einer kleinen, klandestin-konspirativ operierenden Gruppe herrschender Kapitalisten zurückführt. Im linken Antisemitismus hat diese, auf einzelne Personen oder Personengruppen gerichtete Gesellschaftskritik einen zentralen Stellenwert. Wobei zumindest fraglich ist, ob dies teilweise unbewusst geschieht, etwa aufgrund von Unwissenheit, oder ob man sich des eigenen verklausulierten Antisemitismus durchaus bewusst ist, aber scheinbar keine negativen Konsequenzen oder gesellschaftliche Sanktionen fürchtet.[11]

Anders als in der politischen Rechten ist der moderne Antisemitismus im linken Denken nicht rassistisch aufgeladen, sondern verbirgt sich neben personenbezogenen antisemitischen Stereotypisierungen oft hinter der politischen Ideologie des Antizionismus, die zwar nicht immer, aber aufgrund fehlender historischer und politischer Differenzierung sehr oft nichts anderes als israelbezogener Antisemitismus ist.[12] Der Antizionismus richtet sich gegen die politische Bewegung des Zionismus[13], womit seit Ende des 19. Jahrhunderts das jüdische Bestreben gemeint ist, einen unabhängigen jüdischen Staat zu gründen. Dies wurde in der Arbeiter:innenbewegung ambivalent rezipiert: gemäß deren Credo des Internationalismus interpretierten ihn viele Marxist:innen als nationale Spaltungsideologie. Gleichwohl konnte man nicht umhin, den damals zunehmend grassierenden Antisemitismus in Ost- und Westeuropa anzuerkennen.[14] Dabei war der Zionismus-Diskurs zunächst eine überwiegend innerjüdische Angelegenheit. So verlief auch in der Arbeiter:innenbewegung, gerade in Deutschland, die Konfliktlinie zumeist zwischen jüdischen Zionisten und antizionistischen Jüdinnen, die sich als assimilierter Teil der Gesellschaft verstanden.[15] Grundsätzlich folgte die sozialistische Haltung zur Frage des Umgangs mit dem Zionismus genau den Konjunkturen, die auch die europäische Linke bzw. die Arbeiter:innenbewegung durchlief. So war mit der Zäsur des Ersten Weltkriegs und der Spaltung der II. Internationale[16] für viele linke Protagonist:innen des sozialdemokratisch-sozialistischen Flügels die nationalistische Position des Zionismus akzeptabel geworden, während Vertreter:innen des kommunistischen Flügels am Dogma des Internationalismus festhielten.[17]

Antisemitismus war in sozialistischen Bewegungen und Parteien nie gesellschaftliches oder politisches Programm. Allerdings verstellte die allzu oft dogmatisch verkürzte Fortschrittsidee einer sozialistischen Gesellschaft durch ihre einseitige ideologische Fokussierung auf die Überwindung des Kapitalismus den Blick für die eigentlichen Ursachen des – partiell auch linken – Judenhasses. Es sind nämlich vielmehr die in allen gesellschaftlichen Gruppen vorhandenen, lange tradierten und modern gewendeten Vorurteile gegenüber Jüdinnen:Juden, in denen die eigentlichen Ursachen zu sehen sind.[18] Sie wurzeln weit tiefer im kollektiven Gedächtnis und in der politischen Kultur einer Gesellschaft, als dass sie sich hauptsächlich mit einer materialistischen Lesart ökonomischer Gegebenheiten interpretieren und erklären ließen. Diese – auf Marx‘ Schrift „Zur Judenfrage“ zurückgehende – kontinuierliche analytische Verbindung von Kapitalismus und Antisemitismus kann man als die ideologische Achillesferse linker Gesellschaftsanalyse bezeichnen. Und zwar in doppelter Hinsicht. Erstens, weil die tatsächlichen sozialen Ursachen des Antisemitismus unterschätzt werden oder unbeachtet bleiben. Zweitens, weil durch verkürzte Kapitalismusanalysen das antisemitische Stereotyp des raffenden Geldjuden als personifizierter, meist recht durchsichtig chiffrierter Judenhass in Teilen der Linken selbst zu finden ist. Dies führt mit Hans Keilson unweigerlich zur Frage, welchen Wert eine auf soziale Gleichheit abzielende Ideologie dann überhaupt hat, wenn „deren Anhänger mit ihren verbalen Äußerungen gegensätzliche Einstellungen verkünden.“[19]

Im Staatskommunismus der Sowjetunion waren Jüdinnen:Juden zwar offiziell allen anderen Bürger:innen gleichgestellt und insbesondere endeten mit Gründung der Sowjetunion 1922 die todbringenden Pogrome[20], die im Zarenreich seit Ende des 18. Jahrhunderts regelmäßig wiederkehrten[21] und deren Zahl in der Zeit des Russischen Bürgerkrieges 1917-22 noch einmal drastisch angestiegen war. Indes existierte in der Sowjetunion ein latenter Antisemitismus, der auf eben jener Tradition der Judendiskriminierung, des Antijudaismus und der Judenverfolgungen im zaristischen Russland fußte. Er zeigte sich als ein verschwörungsideologischer Vorbehalt und Hass gegen Jüdinnen:Juden, der – neben dem vormodernen und religiösen Antijudaismus der ländlichen Bevölkerung und der städtischen Unterschichten – vor allem ein von Stalin in den 1920er und 1930er Jahren tolerierter und gewollter Antisemitismus war, um politische Gegner:innen auszuschalten. Stalin forcierte diesen politischen Antisemitismus nach dem Zweiten Weltkrieg in seiner Kampagne gegen den Kosmopolitismus, da er in den sowjetischen Jüdinnen:Juden Vertreter:innen der USA und nicht vertrauenswürdige Zionist:innen witterte.[22] Das zu einer ausbuchstabierten Ideologie gewordene Phänomen des Zionismus ist überhaupt nur verständlich vor dem Hintergrund der Judenfeindschaft im Russischen Reich, die großen Anteil hat am jüdischen Wunsch nach Konstituierung eines eigenen jüdischen Staates.

Waren Universalismus und Kosmopolitismus in der Frühzeit der Sowjetunion als internationalistische Werte noch positiv besetzt, gerieten sie im Kontext der zunehmenden Blockbildung nach 1945 zu zentralen Anklagepunkten gegen sowjetische Jüdinnen:Juden, die als „Zionisten“ und „Agenten des westlichen Imperialismus“ gebrandmarkt und verurteilt wurden. Der Hintergrund in dieser spätstalinistischen Zeit bis 1953 war zunächst weniger der schwindende Moskauer Einfluss im Nahen Osten auf den jungen, 1948 gegründeten Staat Israel, sondern das innenpolitische Kalkül, die politischen Reihen zu schließen und die eigene Macht zu konsolidieren. Der sowjetische und Ostblock-Antisemitismus dieser ersten Hochzeit des Kalten Krieges war ein ideologisches Amalgam aus Marxismus-Leninismus, Antiimperialismus und Antizionismus.[23] Aus Sicht des staatlich verordneten Antizionismus der Sowjetunion waren US-Imperialismus, Zionismus, Wallstreet, Juden, Geld und Banken zu einem manifesten ideologischen Feindbild geronnen, das – jedenfalls bis zu Stalins Tod 1953 bzw. bis zum Beginn der Entstalinisierung 1956 – mit allen Mitteln bekämpft wurde und viele Todesopfer nach Schauprozessen forderte.[24]

Antisemitismus in der Neuen Linken

Während man in Moskau den kurzen prozionistischen Kurs 1949 verließ, zeigte sich die deutsche Nachkriegslinke bis Mitte der 1960er Jahre in einer überwiegend israelsolidarischen Haltung. Die in dieser Zeit insbesondere im universitären Kontext evolvierende Neue Linke allerdings entwickelte im Kontext des Israelisch-Arabischen Konflikts einen zunehmend skeptischeren Blick auf Israel. Aus dieser Skepsis entwickelte sich bis spätestens zum Sechstagekrieg 1967 ein „antizionistischer Grundkonsens“.[25] In erstaunlich kurzer Zeit etablierte und verfestigte sich in der studentischen Linken der Bundesrepublik die israelbezogene antisemitische Denkform einer Überlappung von Antizionismus, Antikapitalismus und Antiimperialismus, wie sie bis dato typisch für die Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten war. Vor dem Hintergrund der Antikolonisierungsbewegungen der 1960er Jahre und der (unzureichenden) Auseinandersetzung mit dem Holocaust stellt schließlich der Sechstagekrieg im Juni 1967 die entscheidende Zäsur im Verhältnis der deutschen und europäischen Linken zu Israel dar. Jener Präventivkrieg, in dem sich Israel erfolgreich gegen seine Auslöschung durch die arabischen Nachbarstaaten verteidigte, schien vielen deutschen Linken nicht vereinbar zu sein mit ihrer antiimperialistischen Grundhaltung. Das israelsolidarische Narrativ änderte sich damit in einer ungeheuerlichen Täter-Opfer-Umkehr zu einem antiisraelischen Hassnarrativ, in dem die dem Holocaust entgangenen Jüdinnen:Juden mit US-amerikanischer Hilfe nun selbst zu Täter:innen geworden seien und das palästinensische Volk ausrotten wollten.[26]

Der veränderte linksradikale Blick auf den Israelisch-Arabischen Konflikt wird greifbar durch Worte, die auf der XXII. Delegiertenkonferenz des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes (SDS) im September 1967 in Frankfurt fielen: „Der Krieg zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn kann nur vor dem Hintergrund des antiimperialistischen Kampfes der arabischen Völker gegen die Unterdrückung durch den angloamerikanischen Imperialismus analysiert werden.“[27] Der SDS, immerhin die programmatische Leitinstitution der Neuen Linken, schwenkte damit auf einen „strikt antizionistischen“ Kurs ein.[28] Obwohl dieser Grundton einer antiimperialistisch und antizionistisch motivierten Ablehnung Israels im Kontext des Israelisch-Arabischen Konflikts von einem Großteil der Außerparlamentarischen Opposition (APO) aufgenommen wurde und obwohl er bis heute fortwirkt, gab und gibt es in einer so heterogenen und oft zerstrittenen Bewegung wie der politischen Linken immer eine virulente Auseinandersetzung über israelfeindliche Position.[29]

Mit der Ideologie des Antizionismus versuchten sich große Teile der Linken seit 1967 zu distanzieren vom Vorwurf des Antisemitismus, wenn sie fundamentale Kritik an Israel übten. Dem hielt Jean Améry aus altlinker und jüdischer Perspektive das vielrezipierte Diktum des vermeintlich „ehrbaren Antisemitismus“ entgegen, der „im Anti-Israelismus oder Anti-Zionismus wie das Gewitter in der Wolke“ enthalten sei.[30] Tatsächlich schien mit diesem linken Paradigmenwechsel der genuine und untrennbare Konnex von Holocaust an den europäischen Jüdinnen:Juden und Gründung des Staates Israel suspendiert worden zu sein. Verbunden war der eigene antikolonialistisch und antiimperialistisch verstandene Kampf gegen den ausgemachten „US-imperialistischen“ Feind Israel meist mit einer unbedingten und unkritischen Form von Solidarität mit den Palästinenser:innen.[31]

Vollends pervertiert wurde der in weiten Teilen der radikalen Linken als Antizionismus getarnte israelbezogene Antisemitismus durch den deutschen Linksterrorismus, dessen bekannteste Gruppenphänome in den 1970er Jahren RAF, Bewegung 2. Juni und Revolutionäre Zellen waren. Das destruktive Maß des antisemitischen Linksterrorismus zeigte sich zuerst, als die Tupamaros Westberlin – eine zunächst subversive Gruppe um Dieter Kunzelmann aus dem undogmatischen linksradikalen Spektrum – am 9. November 1969 versuchten, ein Sprengstoffattentat auf eine Gedenkveranstaltung im Westberliner Jüdischen Gemeindehaus zu verüben.[32] Als am 27. Juni 1976 palästinensische Terroristen der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) gemeinsam mit zwei deutschen Terroristen der linksradikalen Revolutionären Zellen ein Air-France-Passagierflugzeug entführen, um weitere Terrorist:innen freizupressen, war der fatale Höhepunkt des linksterroristischen Antisemitismus erreicht. Auf dem Flughafen von Entebbe/Uganda trennten die Terrorist:innen die jüdischen und israelischen Geiseln von den anderen, die freigelassen wurden, und schufen somit das unfassbare Bild einer von Deutschen an Jüdinnen:Juden durchgeführten Selektion nach 1945 – nach dem Ende der Shoah. Ein israelisches Kommandounternehmen konnte schließlich fast alle Geiseln befreien.[33] Der deutsche Linksterrorismus insbesondere der 1970er Jahre war wesentlich geprägt und motiviert vom antiimperialistischen Hass auf Israel, das Ulrike Meinhoff als Gründungsmitglied der RAF kurz nach dem Attentat von Fatah-Terroristen auf israelische Sportler während der Olympischen Spiele in München 1972 als Land des „Nazi-Faschismus“ bezeichnete, das „seine Sportler verheizt wie die Nazis die Juden“.[34]

Der weit verbreitete Antizionismus in der radikalen Linken hatte auch Konjunktur während des Libanonkrieges 1982, als es in linken und linksradikalen Publikationsorganen wieder zu Gleichsetzungen von NS-Staat und Israel kam. Diesmal entzündete sich allerdings ein nachhaltiger innerlinker Antisemitismusstreit, der seitdem, insbesondere durch die Ereignisse im Kontext des Israelisch-Arabischen Konflikts, regelmäßig wiederkehrt.[35]

Antiimperialisten und Antideutsche

Die deutsche Einheit 1990 stellt das entscheidende Ereignis dar, das die seit Anfang der 1980er Jahre allmählich gewachsene szeneinterne Kritik an antiimperialistischen und antizionistischen Positionierungen im Israelisch-Arabischen Konflikt befeuerte. Bei vielen Linken wuchs nun nicht nur die Angst vor einem erstarkenden Deutschland und einem neuen deutschen Nationalismus. Auch die mangelhafte innerlinke Auseinandersetzung über den seit 1967 grassierenden israelbezogenen Antisemitismus, der sich zumeist hinter den Ideologemen Antizionismus und Antiimperialismus verbarg, geriet vielen Linken nun wieder stärker ins Bewusstsein. Diese linken Kritiker:innen eines lange gewachsenen linken Antiimperialismus der einseitigen Parteinahme für die Sache der Palästinenser:innen und Delegitimierung des Staates Israel formierten sich zur linken Strömung der sogenannten Antideutschen, die sich mit Israel als Staat der Holocaust-Überlebenden und Refugium für weltweit bedrohte und verfolgte Jüdinnen:Juden sowie mit dessen Schutzmacht USA solidarisieren. Dabei geriet die Israelsolidarität bei vielen Antideutschen oft zu einer absoluten Position, die jede noch so zurückhaltend und differenziert vorgetragene Kritik an der israelischen Politik gegenüber den Palästinser:innen als antizionistisch/antisemitisch diffamierte.[36] In der Folge verunmöglichte die zum Teil extrem polarisierte Frontstellung von Antideutschen und Antiimperialisten weitestehend eine fruchtbare Debatte über linken Antisemitismus und einen komplexen Blick auf den Israelisch-Arabischen Konflikt. So verfielen Vertreter:innen dieser Position zuletzt selbst nur noch auf einen von der antiimperialistischen Fraktion bekannten Manichäismus des gut gegen böse, nur dass nicht das Schicksal der Palästinenser:innen, sondern jedwedes Handeln Israels und der USA absolut gesetzt wird.[37]

Aktuelle Entwicklungen

Antisemitismus ist zwar kein integraler Bestandteil des linken politischen Spektrums, aber es gibt ihn hier, wie gesehen, zumeist als israelbezogenen Antisemitismus. Die szeneinternen, zum Teil öffentlich über Social-Media-Plattformen geführten Diskussionen geben Aufschluss über die Brisanz des Themas und den innerlinken Kampf gegen linken Antisemitismus. Nach den Auseinandersetzungen zwischen Antideutschen und Antiimperialisten in den 1990er und 2000er Jahren, die bei aller vereinseitigenden Konfrontation durchaus zu einem neuen Problembewusstsein für den Israelisch-Arabischen Konflikt und israelbezogenen Antisemitismus in Teilen der Linken geführt hat,[38] dominieren heute vor allem postkoloniale[39] und queerfeministische[40] Diskurse. Deren Rhetorik lässt in ihrer schärfsten Form durch Leitbegriffe wie Apartheidstaat Israel oder israelischer Siedlerkolonialismus keinen Zweifel an der Sicht auf den Staat Israel, der dadurch pauschal dämonisiert und delegitimiert wird. Wie in den Jahrzehnten seit 1967 hat der „Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen“ weiterhin einen festen Platz.[41]

Neben der sich als progressiv verstehenden zivilgesellschaftlichen Initiative BDS (Boykott, Divestment, Sanctions), die Israel in einer „antizionistischen Kampagne“ politisch, wirtschaftlich und kulturell boykottieren will,[42] konnte man israelbezogenen und klassisch-stereotypen Antisemitismus im linken Milieu zuletzt besonders präsent auf der documenta fifteen beobachten.[43] Dabei sind die hier gezeigten antijüdischen und antiisraelischen Darstellungen zunächst weniger ein Indiz für Antisemitismus in der deutschen Linken als vielmehr für deren geringes Problembewusstsein mit Blick auf antisemitische Stereotype im Globalen Süden. Antisemitische Entgleisungen sind dabei kein Novum im linken Kunst- und Kulturbetrieb etwa der alle fünf Jahre wiederkehrenden Kunstausstellung Documenta.[44] Auch in jüngeren Protestphänomenen der Klimabewegung – wie etwa Extinction Rebellion[45] oder Fridays For Future[46] – findet sich partiell israelbezogener Antisemitismus, der neben der medialen Empörung vor allem zu heftiger interner Kritik führt.

Im linksradikalen Demokontext konnte man während der „Revolutionären 1. Mai“-Demos der letzten Jahre in Berlin antisemitische Parolen u.a. von Mitglieder:innen des PFLP[47]-nahen Netzwerks Samidoun vernehmen, die gemeinsam mit antiimperialistischen Gruppen auftraten.[48] Ähnlich dem Linksterrorismus der 1970er Jahre nimmt israelbezogener Antisemitismus hier gewissermaßen die Funktion eines Brückennarrativs zwischen Linksradikalismus und islamistischem Extremismus ein.

Nach der jüngsten Zäsur des Überfalls der islamistischen Terrororganisationen Hamas und Islamischer Dschihad auf Israel am 7. Oktober 2023 mit über 1.400 ermordeten und 239 entführten israelischen und nichtisraelischen Jüdinnen:Juden sowie nichtjüdischen Opfern ist in Teilen der deutschen Linken ein kaum für möglich gehaltenes Aufbrechen von Judenhass in Form von israelbezogenem Antisemitismus beobachtbar: Neben der alten Konfrontation von Antideutschen und Antiimperialisten, die sich in ihren angestammten Publikationsorganen Junge Welt (Antiimperialisten) und Jungle World (Antideutsche) positionieren, stechen viel stärker und zahlreicher queerfeministische[49] und Migrantifagruppierungen[50], aber auch Teile der Klimabewegung[51] mit meist einseitiger und undifferenzierter Parteinahme zugunsten der Palästinenser:innen ins Auge. Mit der schon erwähnten PFLP-Vorfeldorganisation Samidoun, die israelfeindliche Propaganda verbreitet und terroristische Verbrechen der Hamas relativiert und rechtfertigt, zeigten sich einige linksradikale Gruppierungen auch nach dem 7. Oktober solidarisch[52], sodass die Bedeutung von israelbezogenem Antisemitismus als Scharniernarrativ zwischen linksradikalen und arabisch-militanten Gruppen kaum unterschätzt werden kann.

Neben dem israelbezogenen Antisemitismus gibt es seit dem 7. Oktober eine zunehmende Zahl von Äußerungen im linken politischen Spektrum, die Formen des sekundären, des sogenannten Schuldabwehrantisemitismus darstellen. Insbesondere die in Teilen der Linken zu vernehmende Parole „Free Palestine from German guilt“ deutet an,[53] dass die deutsche Schuld an der Ermordung von 6 Millionen Jüdinnen:Juden, dass die unbestreitbare Verantwortung für den Holocaust und dass dessen Singularität in der deutschen Erinnerungskultur einen Verblendungszusammenhang darstellten, der es nicht erlaubte, das Leid der Palästinenser:innen zu erkennen und sich entsprechend zu positionieren. Nämlich für die Palästinser:innen und gegen den sogenannten „Apartheidstaat“ und „Kolonisator“ Israel. Dieser „wohl […] skandalöseste und fast schon nazistische Schlachtruf eines politischen Milieus, das den politischen Kompass verloren hat“[54], schließt umstandslos an die antisemitische Schuldabwehrrhetorik eines Dieter Kunzelmann an – eine der Leitfiguren nicht nur des undogmatischen linksradikalen Spektrums und antisemitischer Impulsgeber des Linksterrorismus in den siebziger Jahren –, der israelsolidarischen Linken 1969 einen „Judenknax“ vorhielt und fragte: „Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“.[55]

Es zeigen sich im Kontext des wie ein antisemitischer Katalysator wirkenden islamistisch-terroristischen Überfalls auf Israel und mit Blick auf linken israelbezogenen Antisemitismus zahlreiche Widersprüche zum progressiven Anspruch an linkes Denken: keine differenzierte Konfliktanalyse, Dogmatismus, verschwörungstheoretische Versatzstücke, fehlende Solidarität und Empathie mit allen Opfern des Konflikts, Täter-Opfer-Umkehr, Whataboutism, manichäisches Weltbild, Antiemanzipation in Form von Solidarisierung mit repressiven terroristischen Gruppen, fehlende Aufklärung, fehlendes Geschichtsbewusstsein und -wissen, zu kurz greifende Identitätspolitik.

Erhebung und Quantifizierung von linkem Antisemismus

Im Vergleich der verschiedenen politischen Phänomenbereiche fällt Antisemitismus im linken und linksradikalen Spektrum deutlich weniger ins Gewicht als etwa im Rechtsextremismus. Eine quantitative Grundlage dieser Bewertung bietet zunächst die polizeiliche Kriminalstatistik für Politisch Motivierte Kriminalität (PMK) des Bundeskriminalamtes (BKA), das die Zahl antisemitischer Straftaten im Phänomenbereich rechts für das Jahr 2022 mit 2.185 (Vorjahr 2.552) Fällen beziffert. Dies entspricht 82,75% aller polizeilich registrierten antisemitischen Straftaten. Im Phänomenbereich links werden 8 (Vorjahr 6) Fälle angeführt.[56]  Allerdings gilt diese PMK-Statistik nur als recht grober Indikator, da es neben dem zugrundeliegenden Hellfeld ein erhebliches Dunkelfeld gibt, das sich vor allem ergibt aus nicht angezeigten antisemitischen Straftaten, aber auch aus fehlender Erfassungskompetenz der Polizei.[57]

Neben den polizeilichen Deliktstatistiken lassen sich quantitative Entwicklungen von Antisemitismus in den verschiedenen Phänomenbereichen auch den Ergebnissen von zivilgesellschaftlichen Monitoringprojekten entnehmen. So etwa der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS), dessen Datengrundlage auf Meldungen (beim Bundesverband RIAS oder bei regionalen RIAS-Meldestellen) der durch antisemitische Vorfälle betroffenen Personen oder Zeug:innen beruht. Damit werden auch Fälle registriert, die unterhalb der Strafbarkeitsschwelle liegen. RIAS nennt in seinem Bericht[58] für das Jahr 2022 von 2.480 gemeldeten antisemitischen Vorfällen für das verschwörungsideologische Milieu 530 dokumentierte Fälle (21%), 321 Fälle (13%) mit rechtsextremem Hintergrund und 2% mit einem „linken oder antiimperialistischen Hintergrund“. In der RIAS-Statistik hat es in diesem Phänomenbereich im Vergleich zum Vorjahr einen Anstieg um einen Prozentpunkt gegeben. Mögliche Ursachen hierfür könnten das Aufbrechen des Israelisch-Arabischen Konflikts sein oder der im Kontext des Russischen Angriffskrieges auf die Ukraine zu beobachtende zunehmende, sich oft antisemitischer Stereotype bedienende Antiamerikanismus im linken Milieu.

Diese Statistik erfährt ihre Objektivierungslimitierung erstens durch die Erhebungsmethode (Anzeige der Betroffenen), zweitens konnte nur ein Teil der im Jahr 2022 insgesamt 2.480 gemeldeten antisemitischen Vorfälle eindeutig einer bestimmten politischen Ideologie zugeordnet werden. Bei mehr als der Hälfte (53%) war dies nicht möglich. Und drittens verdienen die zahlreichen potenziellen Überschneidungen zwischen den Beobachtungsbereichen weitere Aufschlüsselung, so etwa auch zwischen Linksradikalismus und Verschwörungsideologie.

In der Umfrageforschung stellt sich auf der Einstellungsebene weniger das Problem, Antisemitismus zu erfassen, was über schon mittlerweile „klassische“ Items wie der Zustimmung zur Frage „Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss“ gut funktioniert. Die Herausforderung besteht eher in der Ermittlung genuin linker Positionen. Wird die Selbsteinstufung der Befragten zugrunde gelegt, so konnte etwa am Institut für Demokratieforschung auf Basis einer Online-Pilotstudie im Juni 2023 – also vor dem Überfall der Hamas auf Israel – Folgendes vorläufig gefunden werden:

Bei Personen, die sich in allgemeinen politischen Fragen eher mittig verorten, kommt auf 4,5 Befragte ohne antisemitische Einstellung 1 Person mit einer entsprechenden antisemitischen Position – ermittelt über die Zustimmung der o.a. Einflussfrage; bei Personen aus dem sich weit links verortenden Spektrum beträgt das Verhältnis 1:1; im weit rechten Spektrum 1:2. Entsprechend kann festgestellt werden, dass im rechten Spektrum Antisemitismus weiterverbreitet ist, aber ebenso im linken Spektrum virulent ist.[59] Dieser Befund bedarf einer weiteren Überprüfung.

Mit all diesen Quellen – polizeiliche Kriminalstatistik, zivilgesellschaftlich organisierte Monitoringergebnisse wie von RIAS und Lagebilder zu Antisemitismus wie beispielsweise von der Amadeu Antonio Stiftung[60] und Umfragen auf Einstellungsebenen – können trotz der genannten Erhebungsprobleme und der deutlich divergierenden Zahlen hinreichend genau die Relevanz von Antisemitismus in den jeweiligen Phänomenbereichen offenlegen.


Tom Pflicke

[1] Der 1860 vom Orientalisten Moritz Steinschneider eingeführte Begriff erlangte größere Bekanntheit und Verbreitung durch den Journalisten und Anarchisten Wilhelm Marr während des Berliner Antisemitismusstreits (1879-1881). Dieser Artikel folgt der gegenwärtigen Arbeitsdefinition von Antisemitismus, wie sie von der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken (IHRA) formuliert wurde, d.h. „eine bestimme Wahrnehmung von Jüdinnen und Juden, die sich als Hass gegenüber Jüdinnen und Juden ausdrücken kann. Der Antisemitismus richtet sich in Wort und Tat gegen jüdische und nichtjüdische Einzelpersonen und/oder deren Eigentum sowie gegen jüdische Gemeindeinstitutionen oder religiöse Einrichtungen.“ (vgl. URL: https://www.holocaustremembrance.com/de/resources/working-definitions-charters/arbeitsdefinition-von-antisemitismus), sowie der Ergänzung der Bundesregierung: „Darüber hinaus kann auch der Staat Israel, der dabei als jüdisches Kollektiv verstanden wird, Ziel solcher Angriffe sein.“ (vgl. URL: https://www.antisemitismusbeauftragter.de/Webs/BAS/DE/bekaempfung-antisemitismus/ihra-definition/ihra-definition-node.html). Diese Definition ist nicht unumstritten und Teil einer in den letzten Jahren intensiv geführten Debatte über die angemessene Definition von Antisemitismus; siehe bspw. die Kritik von Peter Ullrich: https://www.rosalux.de/publikation/id/41168. Als Alternative wurde jüngst die Jerusalemer Erklärung formuliert, siehe URL: https://jerusalemdeclaration.org/wp-content/uploads/2021/03/JDA-deutsch-final.ok.pdf. Kritik daran übt etwa Lars Rensmann, vgl. Die „Jerusalemer Erklärung“. Eine Kritik aus Sicht der Antisemitismusforschung, URL: https://www.belltower.news/die-jerusalemer-erklaerung-eine-kritik-aus-sicht-der-antisemitismusforschung-116093/ (alle Links zuletzt eingesehen am 22.9.2023).

[2] Theodor W. Adorno, Minima Moralia. Reflexionen aus dem beschädigten Leben, Frankfurt/Main 1951, S. 200.

[3] Vgl. etwa Mario Keßler, Sozialisten gegen Antisemitismus. Zur Judenfeindschaft und ihrer Bekämpfung (1844-1939), Hamburg 2022,

[4] Zum historischen Verhältnis von Anarchismus und Zionismus vgl. Eirik Eiglad, Anti-Zionism and the Anarchist Tradition, in: Alvin H. Rosenfeld (Hg.), Deciphering the New Antisemitism, Bloomington 2015, S. 206-241. Zur Abgrenzung von zeitgeschichtlichem Antisemitismus und (antisemitischem) Antizionismus in der Neuen Linken vgl. etwa Thomas Haury, Antisemitismus von links. Facetten der Judenfeindschaft, Berlin 2019, S. 39ff.

[5] Die Verbrüderung, 08.05.1848, zit. nach Maximilian Karbach u. Sebastian Thome, Feindbildkonstruktionen und Verschwörungsdiskurs. Eine exemplarische Toposanalyse konservativer und sozialistischer Zeitungen im Kontext der deutschen Revolution von 1848/49, in: Sören Stumpf u. David Römer (Hg.), Verschwörungstheorien im Diskurs, Zeitschrift für Diskursforschung, 4. Beiheft, Weinheim 2020, S. 199–232, hier S. 220.

[6] Neue Rheinische Zeitung vom 19.12.1848 und 17.08.1848, zit. nach Karbach u. Thome, Feindbildkonstruktionen und Verschwörungstheorien, S. 226 f.

[7] August Bebel, Vorschlag einer Resolution zum Thema Antisemitismus und Sozialdemokratie, in: Iring Fetscher (Hg.), Marxisten gegen Antisemitismus, Hamburg 1974, S. 58-76, hier S. 58.

[8] Vgl. Christian Dietrich, Im Schatten August Bebels. Sozialdemokratische Antisemitismusabwehr als Republikschutz 1918-1932, Göttingen 2021, S. 9-20.

[9] Zit. nach Keßler, Die KPD und der Antisemitismus in der Weimarer Republik, in: UTOPIE kreativ, H. 173/2005, S. 223-232, hier S. 226.

[10] Vgl. Olaf Kistenmacher, Arbeit und „jüdisches Kapital“. Antisemitische Aussagen in der KPD-Tageszeitung Die Rote Fahne während der Weimarer Republik, Bremen 2016; kritisch dazu die Rezension von Marcel Bois, Olaf Kistenmacher: Arbeit und „jüdisches Kapital“, URL: https://www.rosalux.de/news/id/45072/olaf-kistenmacher-arbeit-und-juedisches-kapital-bremen-2016 [zuletzt eingesehen am 13.09.2023].

[11] Vgl. Carsten Koschmieder, Gegen Bilderberger, Hochfinanz und Zionisten. Antisemitismus in der politischen Linken und der radikalen linken Szene, in: Alexander Deycke et al. (Hg.), Von der KPD zu den Postautonomen. Orientierungen im Feld der radikalen Linken, Göttingen 2021, S. 343-359, hier S. 348.

[12] Vgl. Klaus Holz und Thomas Haury, Antisemitismus gegen Israel, Hamburg 2021, S. 113f.; Stephan Grigat, Kritik des Antisemitismus heute, Aachen 2022, S. 9f.

[13] Die Zionistische Weltorganisation wurde während des ersten Zionistenkongress 1897 in Basel gegründet.

[14] Zur Komplexität des Verhältnisses von Arbeiterbewegung und Zionismus vgl. Mario Keßler, Zionismus und internationale Arbeiterbewegung. 1897-1933, Berlin 1994.

[15] Vgl. Holz/Haury, Antisemitismus gegen Israel, S. 31-78.

[16] Die 1889 gegründete Zweite Internationale zerbrach zu Beginn des Ersten Weltkrieges, als sich viele der in diesem Zusammenschluss vertretenen Parteien, insbesondere die SPD, entgegen des Dogmas internationaler Solidarität mit ihren jeweiligen nationalen Regierungen arrangierten.

[17] Vgl. Holz/Haury, Antisemitismus gegen Israel, S. 31-78.

[18] Vgl. Hans Keilson, „Linker“ Antisemitismus?, in: Psyche, H. 9/1988, S. 769-794, hier. S. 787.

[19] Ders., ebd.

[20] Das Wort Pogrom entstammt der russischen Sprache und meinte ursprünglich die Verwüstung bzw. Zerstörung jüdischen Eigentums und Lebens im Russischen Reich.

[21] Vgl. für die „jüdische Frage“ im Russischen Reich der Zeit von 1860-1917 Manfred Hildermeier, Geschichte Russlands. Vom Mittelalter bis zur Oktoberrevolution, S. 1227-1242.

[22] Vgl. Orlando Figes, Die Flüsterer. Leben in Stalins Russland, Berlin 2008, S. 719-737.

[23] Vgl. Holz/Haury, Antisemitismus gegen Israel, S. 113-128.

[24] Die bedeutendsten stalinistischen Schauprozesse nach 1945 waren der Prozess gegen das Jüdische Antifaschistische Komitee 1948 in Moskau, der Prozess gegen den Generalsekretär der tschechoslowakischen KP Rudolf Slánský 1952 in Prag, in dessen direkter Folge und aus dem gleichen antizionistisch-antisemitischen Motiv das SED-Politbüromitglied Paul Merker in Ost-Berlin in einem Geheimprozess angeklagt wurde. Zum Slánský-Prozess siehe Jan Gerber, Ein Prozess in Prag. Das Volk gegen Rudolf Slánský und Genossen, Göttingen 2016.

[25] Vgl. Haury, Antisemitismus von Links, S. 39.

[26] Vgl. Jeffrey Herf, Undeclared Wars with Israel. East Germany and the West German Far Left, New York 2016, 1967-1989, Cambridge 2016, S. 75-118.

[27] Zit. nach Georg M. Hafner u. Esther Schapira, Israel ist an allem schuld. Warum der Judenstaat so gehasst wird, Köln 2015, S. 208.

[28] Vgl. Wolfgang Kraushaar, Vom Philosemitismus zum Antisemitismus. Der Sechs-Tage-Krieg als Vehikel für eine 180-Grad-Wendung, in: Münchner Beiträge zur Jüdischen Geschichte und Kultur, H. 1/2017, S. 28-44., hier S. 35.

[29] Vgl. ebd., S. 38.

[30] Jean Améry, Der ehrbare Antisemitismus. Die Barrikade vereint mit dem Spießer-Stammtisch gegen den Staat der Juden, in: Die Zeit, 30/1969.

[31] Vgl. Vgl. Martin Kloke, Israel und die deutsche Linke. Zur Geschichte eines schwierigen Verhältnisses (DIAK-Schriftenreihe, Bd. 20), Frankfurt/Main 1994, S. 163–169.

[32] Vgl. Wolfgang Kraushaar, Die Bombe im Jüdischen Gemeindehaus, Hamburg 2005, S. 7-18.

[33] Vgl. Herf, Undeclared Wars with Israel, S. 317-341.

[34] Zit. nach Gerd Koenen, Das rote Jahrzehnt. Unsere kleine deutsche Kulturrevolution 1967-1977, Frankfurt a. Main 2011, S. 410.

[35] Vgl. Haury, Antisemitismus von Links, S. 17.

[36] Vgl. Peter Ullrich, Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt. Politik im Antisemitismus- und Erinnerungsdiskurs, Göttingen 2013, S. 23f, 39ff.

[37] Vgl. etwa Carsten Koschmieder, Die Entstehung der Antideutschen und die Spaltung der linksradikalen Szene, in: Ulrich Dovermann (Hg.), Linksextremismus, 2011, S. 183-200.

[38] Vgl. Ullrich, Deutsche, Linke und der Nahostkonflikt, S. 40f.

[39] Vgl. Ingo Elbe, Postkolonialismus und Antisemitismus. Einleitung zu einer Bibliographie zur Kritik postkolonialer und postmodern-antirassistischer Thematisierungen von Antisemitismus, Holocaust, Judentum und Zionismus, in: Stephan Grigat (Hg.), Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart. Erscheinungsformen, Theorien, Bekämpfung, Baden-Baden 2023, S. 157-172.

[40] Vgl. etwa János Erkens und Meron Mendel, Zu queer, um wahr zu sein. Der Kampf um mehr Freiräume von LGBTIQ ist ein komplexer dialektischer und manchmal ambivalenter Prozess. „Pinkwashing“-Vorwürfe gegen Israel werden diesem Umstand nicht gerecht, sondern sind vor allein eines: antisemitisch, in: Eva Berendsen et al. (Hg.), Trigger Warnung: Identitätspolitik zwischen Abwehr, Abschottung und Allianzen, Berlin 2019, S. 151-164.

[41] Vgl. Nicholas Potter u. Stefan Lauer (Hg.), Judenhass Underground. Antisemitismus in emanzipatorischen Subkulturen und Bewegungen, Leipzig 2023.

[42] Vgl. Haury, Antisemitismus von Links, S. 54f.

[43] Vgl. etwa Florian Markl und Alex Feuerherdt, Die Israel-Boykottbewegung BDS und die documenta fifteen. Vom alten Hass zur Delegitimierung des jüdischen Staates, in: Grigat (Hg.), Kritik des Antisemitismus in der Gegenwart, S. 135-156 sowie die umfangreiche Broschüre von RIAS Hessen, documenta fifteen. „Es wurde eine dunkelrote Linie überschritten“, Marburg 2023, URL: https://report-antisemitism.de/documents/2023-03_rias-he_documentafifteen_Antisemitismus.pdf [zuletzt eingesehen am 24.10.2023].

[44] Vgl. Fabian Bechtle u. Leon Kahane, Denken in antimodernen Bildern: Kunst und Kulturpessimismus, in: Martin Jander und Anetta Kahane (Hg.), Gesichter der Antimoderne. Gefährdungen demokratischer Kultur in der Bundesrepublik Deutschland, S. 77-104.

[45] Vgl. Simon Sales Prado, Klimaaktivismus auf Abwegen, in: taz, 20.11.2019, URL: https://taz.de/Antisemitismus-bei-Extinction-Rebellion/!5640088/ [zuletzt eingesehen am 16.09.2023].

[46] Vgl. Franzsika Betz, Antisemitismus im Klimaschutz-Gewand?, in: taz, 27.9.2022, URL: https://taz.de/Umstrittene-Gruppe-bei-FFF-Demo/!5883783/ sowie o.A., Antisemitismus und die Klima-Bewegung, in: Belltower News, 10.5.2023, URL: https://www.belltower.news/zwischen-israelhass-und-ns-vergleichen-antisemitismus-und-die-klimabewegung-149183/ [beide zuletzt eingesehen am 16.09.2023].

[47] Die Volksfron zur Befreiung Palästinas ist eine nach dem Sechstagekrieg 1967 gegründete palästinensische Terrororganisation.

[48] Vgl. Amadeu Antonio Stiftung (Hg.), Zivilgesellschaftliches Lagebild Antisemitismus 2021, Berlin 2021, S. 14f; siehe URL: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/antisemitische-parolen-bei-revolutionaerer-1-mai-demo/ [zuletzt eingesehen am 13.09.2023].

[49] Vgl. Julius Geiler, Wenn Queerfeministinnen Terror gutheißen. Die unglaublichen Israel-Verwirrungen von links, in: Tagespiegel, 15.10.2023, URL: https://www.tagesspiegel.de/berlin/wenn-queerfeministinnen-terror-gutheissen-die-unglaublichen-israel-verwirrungen-von-links-10618648.html [zuletzt eingesehen am 23.10.2023].

[50] Vgl. etwa Sebastian Leber, Links, progressiv – und antisemitisch. Die heimliche Macht der Israel-Hasser, in: Tagesspiegel, 13.10.2023, URL: https://www.tagesspiegel.de/gesellschaft/links-progressiv–und-antisemitisch-die-heimliche-macht-der-israel-hasser-10600396.html sowie Anastasia Tikhomirova, Safe Spaces auch für Jüd:innen, in: taz, 21.07.2021, URL: https://taz.de/Antisemitismus-in-der-Linken/!5781586/ [zuletzt eingesehen am 21.10.2023].

[51] Vgl. etwa Philipp Bovermann, Antisemitismus und Linke. Du, Greta?, in: Süddeutsche Zeitung, 21.10.2023, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/greta-thunberg-free-palestine-fridays-for-future-israel-gaza-1.6291402 [zuletzt eingesehen am 23.10.2023]. Die deutsche Sektion von FFF hat sich daraufhin von Greta Thunberg distanziert, vgl. Wiebke Hollersen, Deutsche Klimaschützer grenzen sich von Greta Thunberg ab, in: Berliner Zeitung, 21.10.2023, URL: https://www.berliner-zeitung.de/news/deutsche-klimaschuetzer-grenzen-sich-von-greta-thunberg-ab-li.2151402 [zuletzt eingesehen am 26.10.2023]. Wobei sich wie schon in der Vergangenheit auch aktuell die interne Zerstrittenheit von FFF zeigt, wenn es um den Arabisch-Israelischen Konflikt geht. Vgl. Joshua Schultheis und Nicholas Potter, Fridays For Future International. Tweets gegen Israel, in: Jüdische Allgemeine, 26.10.2023, URL: https://www.juedische-allgemeine.de/politik/tweets-gegen-israel/ [zuletzt eingesehen am 26.10.2023].

[52] Vgl. etwa Kommunistische Organisation, Steht auf gegen das Verbot von Samidoun! Schande über den Verrat der „Roten Hilfe“, 12.10.2023, URL: https://kommunistische-organisation.de/artikel/steht-auf-gegen-das-verbot-von-samidoun-schande-ueber-den-verrat-der-roten-hilfe-stand-up-against-the-ban-on-samidoun-shame-on-the-betrayal-of-red-aid/ sowie dies., Solidarität mit dem kämpfenden Palästina! Kampf der anti-palästinensischen Repression in Deutschland!, 10.10.2023, URL: https://kommunistische-organisation.de/stellungnahme/solidaritaet-mit-dem-kaempfenden-palaestina-kampf-der-anti-palaestinensischen-repression-in-deutschland/; Susanne Memarina, Die Verherrlicher des Terrors, in: taz, 9.10.2023, URL: https://taz.de/Hamas-Unterstuetzer-in-Berlin/!5962283/; Nicholas Potter, Samidoun. Tarnung für den Terror, in: Beltower News, 12.10.2023, URL: https://www.belltower.news/samidoun-tarnung-fuer-terror-153123/ [alle zuletzt eingesehen am 23.10.2023].

[53] Vgl. etwa Diana Zinkler, Es gibt keine Befreiung von der deutschen Schuld, in: Die Zeit, 20.10.2023, URL: https://www.zeit.de/politik/deutschland/2023-10/antisemitismus-deutschland-hamas-israel-demonstrationen [alle zuletzt eingesehen am 23.10.2023].

[54] Natan Sznaider, Zur Lüge der Linken, in: Süddeutsche Zeitung, 24.10.2023, URL: https://www.sueddeutsche.de/kultur/natan-sznaider-nahost-linke-krieg-israel-hamas-palaestina-1.6292773 [zuletzt eingesehen am 24.10.2023].

[55] Zit. nach Wolfgang Kraushaar, „Wann endlich beginnt bei Euch der Kampf gegen die heilige Kuh Israel?“. München 1970: über die antisemitischen Wurzeln des deutschen Terrorismus, Hamburg 2013, S. 312. Kraushaar geht in diesem Buch primär der These nach, dass deutsche Linksradikale auch am Brandanschlag auf das jüdische Gemeindehaus der Israelitischen Kultusgemeinde München im Februar 1970 beteiligt gewesen sind, bei dem sieben Holocaustüberlebende ums Leben kamen. Vgl. auch Niclas Seydack, Das Schweigen nach em Brand, in: Die Zeit, 13.2.2023, URL: https://www.zeit.de/2020/08/antisemitismus-brandanschlag-muenchen-februar-1970 [zuletzt eingesehen am 24.10.2023].

[56] Vgl. Bundesministerium des Innern und für Heimat, Politisch motivierte Kriminalität im Jahr 2022. Bundesweite Fallzahlen

[57] Vgl. etwa Michael Kohlstruck und Peter Ullrich, Antisemitismus als Problem und Symbol. Phänomene und Interventionen in Berlin 2015, S. 30-34.

[58] Vgl. Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (RIAS) (Hg.), Jahresbericht Antisemitische Vorfälle in Deutschland 2022, Berlin 2023, einsehbar unter URL: https://report-antisemitism.de/annuals/ [zuletzt eingesehen am 13.09.2023].

[59] Auswertung erhältlich über Philipp Harfst und Simon Franzmann, Institut für Demokratieforschung der Georg-August-Universität Göttingen, ifdem@uni-goettingen.de. Herangezogen wurde die Links-Rechts-Einstufung auf einer Links-Rechts-Skala von 0-10: Werte 0,1: weit linke Position; Werte 9,10: weit rechte Position; Werte 3-8: „mittlere Position“. Es gingen 1554 Befragte in die Auswertung ein, die entsprechend des Mikrozensus und über Bundesländer erhoben wurden.  

[60] Vgl. Amadeu Antonio Stiftung (Hg.), Zivilgesellschaftliches Lagebild Antisemitismus 2021, Berlin 2021.


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